Die Baugeschichte des Seelhauses im Detail
Das ehemalige Seelhaus ist ein Stiftungsanwesen, das Mitte des 15. Jahrhunderts als eingeschossiges Fachwerkhaus mit Walmeindeckung errichtet wurde und seit dem Mittelalter als Pilgerherberge und Unterkunft für Stadtarme diente. Die Erbauungszeit wird auf die Jahre 1457 und 1458 datiert. Laut einer dendrochronologischen Untersuchung einzelner Dachsparren gehen diese in der südlichen Gebäudehälfte auf das Fälljahr 1457/58 zurück. Die Befundsondierung ergab, dass zu dieser Zeit sämtliche Außen- und Innenwände als Fachwerkkonstruktionen mit Ausfachungen ausgeführt waren. Die Aufteilung der Gebäudehälften bestand ursprünglich schon aus einem mittigen Gang und beidseitig zwei angrenzenden Räumen. Der südliche Raum verfügt über eine eingezogene, niedrige Bohlen-Balken-Decke mit Holzbalken, die vermutlich um ca. 1730 gefällt wurden. Die übrigen Räume und der Flur mit einer relativ hohen Raumhöhe von ca. drei Metern sind vermutlich Balkendecken mit geputzten Ausfachungen. Das Dachgeschoss bestand zu dieser Zeit vermutlich nur aus ein bis zwei Dachkammern in südlicher Dachrichtung.
18. Jahrhundert: Erneuerung des Nordgiebels
Im 18. Jahrhundert wurde der nördliche Giebelbereich verändert.
19. Jahrhundert: Austausch der nördlichen und östlichen Erdgeschosswände durch Mauerwerk
Im 19. Jahrhundert wurden an den Deckenbereichen Kaschierungen vorgenommen und die Türsituationen verändert. Die Gestaltungsprinzipien in Form von Abfassungen mit Schablonen- und Walzmustern sind an einigen Bereichen zu erkennen. Der Bereich der nördlichen Gebäudehälfte, die nordöstliche Außenmauer und teils auch Innenwände lassen vermuten, dass das Sandsteinmauerwerk dem ausgehenden 19. Jahrhundert zugeschrieben werden kann. Das könnte ein Vorspringen des Untergeschosses (EG) zum Giebelbereich in Verbindung mit der sehr uneinheitlichen Fenstersituation im EG erklären.
20. Jahrhundert: Diverse kleinere Umbauten und Vormauerungen
Anfang des 20. Jahrhundert wurde eine Innenwand in der Gangsituation versetzt und der südöstliche Gebäudebereich zu einem Bohlenzimmer vergrößert sowie Wandverkleidungen, Kaschierungen mit Putzträgern aus Rohr- und Rabitzmatten, teils auch Heraklithplatten, angebracht. Der Dachgeschossausbau (heutiger Zustand) mit Schlackesteinen und Heraklithplatten-Verkleidungen stammt ebenso aus dieser Phase. In der Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts wurden weitgehend Verkleidungen und Vormauerungen der Außenwände mit Ytong-Steinen sowie Innenwandkaschierungen mittels Gipskartonplatten angebracht.
21. Jahrhundert: Erneuerung der Fenster
Die Fenstersituation im Erdgeschoss ist der letzten Bauphase des 21. Jahrhunderts zuzuordnen. Der Außenbereich im Süden und Osten zählt mit Gebäudekante bereits zur öffentlichen Fläche.
Die ausführliche Baubeschreibung des mittelalterlichen Fachwerkhauses
Das denkmalgeschützte Fachwerkhaus befindet sich in der historischen Altstadt von Herzogenaurach, unweit der Stadtpfarrkirche mit umlaufendem Kirchenplatz, und zählt zu den ältesten noch erhaltenen Bürgerhäusern der Stadt. Es ist als Doppelhaus errichtet und steht giebelständig im Süden zum Kirchenplatz und mit der östlichen Traufe zur Engelgasse.
Nach Westen hin schließt die Nachbarbebauung direkt an, die Gebäude sind nur durch eine schmale Gasse voneinander getrennt.
Bei dem Gebäude handelt es sich um ein eingeschossiges, Nord-Süd-gerichtetes, gotisches Fachwerkhaus mit einer Hausbreite von ca. 10,00 Metern und einer Hauslänge von ca. 13,25 Metern. Die Wände im Erdgeschoss der nördlichen Gebäudehälfte sind an der Nord- und Ostseite in Mauerwerk ausgeführt.
Bei der auffälligen Fachwerkfassade zum Kirchenplatz hin kragt das Dachgeschoss um ca. 20 Zentimeter aus. Die Zierformen der Fassade beschränken sich auf zwei Kreuzstreben über den Fenstern zur ehemaligen Bohlenstube hin und auf die bauzeitlich typischen einfachen Schwalbenschwanzblätter zum Anschluss der Kopf- und Fußbänder.
Die Dachneigung beträgt ca. 52 Grad. Das steile Satteldach mit Schopfwalm über dem 1. Dachgeschoss ist mit einer Biberschwanzdoppeldeckung eingedeckt. Die Traufhöhe liegt am Kirchenplatz ca. 3,50 m über dem Straßenniveau.
Das Gebäude ist mittig in zwei separate Hälften geteilt und hat aufgrund der getrennten Eingänge zum einen die Adresse Kirchenplatz 9 und zum anderen die Adresse Engelgasse 10. Das Haus ist auf zwei Flurstücken errichtet (Fl. Nr. 152 und 153).
Das Baugrundstück entspricht den Außenmauern des Gebäudes, da im nördlichen Bereich ein dauerhaftes Fahrt- und Zugangsrecht gewährleistet sein muss.
Die Gliederung der beiden Hälften ist nahezu spiegelbildlich mit mittigem Flur in Gebäudelängsrichtung. In der nördlichen Haushälfte befindet sich auch der Zugang zum dort befindlichen kleinen Gewölbekeller. Die südliche Gebäudehälfte ist nicht unterkellert.
Die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen
An der inneren Raumstruktur wurden nur wenige Eingriffe durchgeführt, wie etwa der Rückbau des Flurbereiches auf historischen Stand. Die wesentlichen Eingriffe fanden im 1. Dachgeschoss statt.
Die Wandstellungen im 1. Dachgeschoss sind im Wesentlichen aus dem 20. Jahrhundert (Zwischenwände aus Bimsstein).
Die Zwischenwände im Dachgeschoss hatten keinen Verbund zur Kehlbalkendecke und mussten aus statischen Gründen gegen neue Wände ausgetauscht werden. Diese neuen Wände wurden als Leichtbauwände in Holzkonstruktion erstellt. Bis auf die Nassräume und die Flurbereiche im Erdgeschoß wurden als Bodenbeläge Holzdielen geplant. Diverse Befunde an den freigelegten Wänden, Boden- und Deckenbereichen der Südhälfte gaben Aufschluss auf die historischen Wandstellungen.
Auf Grund neuer Platzverhältnisse bzw. -bedürfnisse wurden die Raumstrukturen in Teilbereichen geändert. Die ursprünglichen Wandstellungen sollten sichtbar erhalten bleiben. Die vorgefundenen Deckenausführungen wurden wieder dem historischen Vorbild nachvollzogen. Vorhandene Decken wurden repariert und in Teilbereichen ergänzt.
An Stellen, an denen die Decken nicht mehr vorhanden waren, wurden neue Fehlböden eingebaut und die Deckenfelder oberflächenbündig mit der Untersicht der Deckenbalken verputzt. Decken, die zuvor noch keine Füllungen hatten, sollten auch keine Füllungen erhalten. So war z.B. im südwestlichen Raum des 1. Dachgeschosses die historische Bretterdecke mit Deckleisten und weißer Fassung noch erhalten. Diese Decke wurde repariert und restauratorisch überarbeitet.
Ferner bestand das Ziel, konstruktive Mängel bzw. Abänderungen wieder in den „Ursprungszustand“ zu versetzen, sofern sich dies mit dem Grundriss vereinbaren ließ. Als Beispiel ist hier an den Wiedereinbau der Kopfstreben im südwestlichen Raum des Erdgeschosses zu denken. Die bauzeitlichen Holzständer sowie der Deckenbalken der ursprünglichen Wandstellung waren hier noch erhalten. Die ursprünglichen Kopfstreben fehlten und wurden wieder eingesetzt. Im 1. Dachgeschoss der Südhälfte wurden zwei Holzstützen versetzt. Diese wurden nun wieder an ihre bauzeitliche Lage gerückt.
Als besonderes Merkmal zählt auch die Bohlen-Balken-Decke in der südöstlichen Stube (ehemals Bohlenstube). Die Bohlen-Balken-Decke war als Zwischendecke unter der eigentlichen Geschossdecke eingebaut und oberseitig mit einem Lehmschlag versehen (1730). Die Bohlenbalkendecke wurde restauratorisch überarbeitet und neu gefasst. Der Zwischenraum oberhalb der Spunddecke wurde gesäubert und gereinigt. Der Lehmschlag blieb erhalten.
Im nördlichen Bereich der „Bohlenstube“ ist die ehemalige Bohlenwand nicht mehr erhalten. Es gibt hier nur noch den Unterzug bzw. den Rähmbalken, in dessen Bereich die Deckenhöhe nach oben verspringt (anschließender Raum, geplanter Küchenbereich).
Unter der Nordhälfte befindet sich ein kleiner Gewölbekeller. Die Sandsteinoberflächen sowie die Fugen wurden überarbeitet. Als Bodenbelag wurde ein Pflaster geplant.
Die verwendeten Baumaterialien
Wärmedämmung/Beheizung:
Die Innendämmung der Umfassungswände erfolgte mittels rein mineralischem Wärmedämmputz,
Dicke im Mittel ca. 8 bis 10 cm, raumseitig ca. 1 cm Kalkputz. Die Umfassungswände erhielten eine Randleisten- und Fußbodenheizung.
In Teilbereichen war eine Kombination mit Einzelheizkörpern (z.B. Bad, Flur) sinnvoll. Der Fußbodenaufbau gegen das Erdreich war größtenteils nicht mehr ursprünglich und wurde gegen einen neuen gedämmten Fußbodenaufbau ausgetauscht.
Belichtung:
Einbau neuer denkmalgerechter Holzfenster (Isolierverglasung, Bauglas) mit angepasster schmaler Profilierung und Fensterteilung.
Da die Öffnungen im Dachbereich zu klein sind, wurden auf der Ostseite aus brandschutztechnischen Gründen Erker mit größeren Fenstern zur Gewährleistung des 2. Rettungsweges für die südliche Gebäudehälfte eingebaut.
Dachdeckung/Klempnerarbeiten:
Dacheindeckung mit Biberschwanzziegeln (Spitzgothikbiber), naturrot, Ausführung als Doppeldeckung. Dachentwässerung und Einblechungen in Kupfer.
Haustechnik:
Alle Anschlüsse und Leitungen für Strom, Wasser, Abwasser und Versorgung mit Gas wurden überprüft, gegebenenfalls ausgetauscht bzw. neu erstellt. Die beiden Haushälften werden jeweils über eine eigene Gastherme versorgt. Die Gasthermen wurden jeweils im gedämmten Dachraum im 2. Dachgeschoss untergebracht.